Die Dekarbonisierung der Industrie
Die globale Industrie ist eine der größten Quellen von Kohlenstoffemissionen, die durch den Energieverbrauch, die Produktherstellung, chemische Prozesse und den Transport verursacht werden. Der Klimawandel und neue Vorschriften haben zur Folge, dass die Hersteller auf Netto-Null-Emissionen hinarbeiten.
In Kürze
- Die kohlenstoffintensivsten Industriezweige sind die Energiewirtschaft, die chemische Industrie, die Stahl-, Beton- und Kalkindustrie, die Aluminiumindustrie und das Transportwesen (Schifffahrt, Luftfahrt und Schwerlastverkehr). Allein auf diese Branchen entfallen rund 30 % der weltweiten Treibhausgasemissionen.
- Die Industrie kann ihren CO₂-Fußabdruck verringern, indem sie weniger kohlenstoffintensive Prozesse einführt, die betriebliche Effizienz steigert, Technologien zur Kohlenstoffabscheidung einsetzt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert.
- Es gibt neue Möglichkeiten zur Dekarbonisierung, dazu gehören die Verringerung oder Beseitigung von Emissionen aus der Energieversorgung und dem Verkehrswesen, höhere Investitionen in innovative saubere Technologien und die Einführung neuer Wasserstofftechnologien.
- Die Industrie kann das Netto-Null-Ziel erreichen, indem sie auf erneuerbare Energiequellen umsteigt, Prozesse brennstoffeffizienter gestaltet, umweltfreundliche Verteilungs- und Transportsysteme einsetzt und Abfälle durch eine Kreislaufwirtschaft minimiert.
Die Herausforderung
Der Klimawandel, der durch die weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht wird, erfordert dringend Maßnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen. Die Prozessindustrien tragen einen großen Teil dazu bei, und in allen Sektoren haben die Dekarbonisierungsbemühungen ein großes Potenzial, die Emissionen zu reduzieren und bis 2050 Netto-Null-Ziele zu erreichen. Wenn die kohlenstoffintensiven Industrien insgesamt ihre Emissionen halbieren würden, ein Ziel, das innerhalb der nächsten Jahrzehnte erreichbar ist, werden die weltweiten Emissionen um nahezu 15 % reduziert.
Erkenntnisse
Wenn die kohlenstoffintensiven Industriezweige insgesamt ihre Emissionen um die Hälfte reduzieren würden, könnten die weltweiten Emissionen um nahezu 15 % reduziert werden.
Die Schaffung der Grundlagen für die industrielle Dekarbonisierung erfordert eine globale Führung und Koordinierung in jedem Industriesektor sowie massive und gezielte Investitionen in innovative, saubere und neu entstehende Technologien wie den Einsatz von Wasserstoff und weiteren alternativen Kraftstoffen.
Globale Treibhausgasemissionen nach Industriezweigen
Der gesamte Energiesektor, einschließlich Stromerzeugung, Wärme und Verkehr, ist für etwa drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Energieverbrauch in der Industrie macht etwa ein Drittel der Gesamtemissionen aus, wobei die Eisen- und Stahlherstellung, die chemische und petrochemische Verarbeitung, die Herstellung pharmazeutischer Produkte, die Öl- und Gasproduktion und die Zementherstellung einen erheblichen Anteil an diesen Emissionen haben.
Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die Nichteisenmetallindustrie (beispielsweise Aluminium), die Papier- und Zellstoffindustrie, die Maschinenbauindustrie, der Bergbau, Steinbrüche, das Baugewerbe, die Textilindustrie, die Holzindustrie und die Automobilindustrie tragen ebenfalls in nennenswertem Umfang zu den industriellen Emissionen bei.
Das Transportwesen, das in jedem Industriemarkt eine Schlüsselrolle spielt, ist ebenfalls für erhebliche Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dabei spielt neben den direkten Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe für den Verkehr auch die Stromerzeugung für Elektrofahrzeuge eine Rolle (indirekte Emissionen).
Auf den Straßenverkehr entfällt ein erheblicher Anteil der weltweiten Emissionen aus der Verbrennung von Benzin und Diesel. Schätzungsweise 60 % der Emissionen im Straßenverkehr stammen aus dem Personenverkehr und die restlichen 40 % aus dem Straßengüterverkehr.
Der Rest der verkehrsbedingten Emissionen entfällt auf den Luft-, See- und Schienenverkehr. Darüber hinaus können schlecht konstruierte, nicht gewartete oder undichte Pipelines direkte flüchtige Emissionen verursachen, insbesondere von Methan, einem sehr wirksamen Treibhausgas.
Erkenntnisse
Kohlendioxid ist nicht das einzige relevante Treibhausgas. Zum Klimawandel tragen auch noch weitere Gase bei, darunter Methan, Distickstoffoxid und industrielle Fluorkohlenwasserstoffe (F-Gase).
Primärenergiebedingte Kohlendioxidemissionen nach Wirtschaftszweigen
Der größte Anteil an den Treibhausgasemissionen entfällt auf die Energieversorgungsunternehmen, die Kohle, Öl und Erdgas in konventionellen Kraftwerken verbrennen. Daher ist der Übergang zu umweltfreundlicheren Technologien für die Stromerzeugung ein wichtiger Beitrag zur Kohlenstoffreduzierung.
Möglichkeiten zur Dekarbonisierung
Das globale Dekarbonisierungsziel für die Industrie ist allgemein anerkannt: „Netto-Null bis 2050“. Wie aus der Grafik hervorgeht, gab es bei der Reduzierung der industriellen Emissionen Fortschritte. Allerdings sind nicht alle Initiativen auf das Netto-Null-Ziel ausgerichtet.
Es gibt mehrere anerkannte Strategien zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen von Industrieanlagen, die in den folgenden Abschnitten erörtert werden.
Globale Führung und Koordinierung des Handels
Weltweit haben führende Gruppierungen Strategien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen entwickelt, insbesondere durch die Gründung der Science Based Targets initiative (SBTi), einer Initiative, in der Ziele für die Klimaauswirkungen von Unternehmen festgelegt werden. Die SBTi ist eine globale Initiative, die von CDP (Carbon Disclosure Project), dem UN Global Compact, dem World Resources Institute und dem World Wildlife Fund gegründet wurde. Wissenschaftlich fundierte Zielvorgaben liefern neutrale Messziele, mit denen Unternehmen und Staaten die aktuellen Treibhausgaswerte sowie die erforderlichen Emissionsreduzierungen bei Fortsetzung des Programms bis zur Erreichung der Netto-Null bestimmen können. Endress+Hauser ist seit 2023 Mitglied der SBTi.
Investitionen in innovative, saubere Technologien und in die Energieeffizienz
Um ehrgeizige Ziele wie Netto-Null bis 2050 zu erreichen, müssen Unternehmen Initiativen zur Dekarbonisierung unverzüglich planen und diese beschleunigen, sobald die Technologie realisierbar ist, um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Um diese Ziele zu erreichen, investieren Regierungen und Unternehmen in saubere Technologien wie grünen Wasserstoff, Solar-, Wind-, Wasser-, Gezeitenkraft.
Da einige dieser Technologien zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zuverlässig genug sind, muss darauf geachtet werden, dass vorübergehende Lücken geschlossen werden. Alle diese Technologien sind kohlenstoffneutral und verursachen damit keine schädlichen Emissionen in die Atmosphäre. Darüber hinaus muss die Industrie daran arbeiten, Abfälle und Prozessstörungen, beispielsweise Leckagen, zu reduzieren, die unnötige Emissionen verursachen.
Aktuelle und neue Technologien und Verfahren zur Dekarbonisierung mit Hilfe von Wasserstoff
Grüner Wasserstoff ist vollkommen nachhaltig und erzeugt weder bei der Nutzung noch bei der Herstellung Treibhausgase. Er kann auf einfache Weise gelagert werden, ist sehr vielseitig und kann mit anderen Produkten wie synthetischem Gas und Elektrizität kombiniert werden.
Wasserstoff hat jedoch trotz seiner klimatischen Vorteile auch Nachteile. Wasserstoff ist im Vergleich zu anderen grünen Energiequellen kostspielig in der Herstellung und Nutzung. Darüber hinaus gibt es Probleme mit der Skalierbarkeit und dem Platz in der Logistikkette.
Andererseits ist die Wasserstofftechnologie erfolgversprechend, und sowohl Land- als auch Seeverkehrsunternehmen investieren in Forschung und Entwicklung. Auch Kraftwerke erforschen Verfahren, um den Erdgasbetrieb durch Wasserstoff zu ergänzen oder sogar vollständig zu ersetzen. Wasserstoff kann auch in bereits vorhandenen Pipelinenetzen mit Erdgas gemischt werden, um die Emissionen zu verringern.
Wärmerückgewinnung und Sektorkopplung
Eine effiziente Dekarbonisierung erfordert ein breites Spektrum an Technologien für erneuerbare Energien zur Stromerzeugung. Dies gilt insbesondere für Heizungs-, Kühlungs- und Wärmerückgewinnungstechnologien sowie für die traditionelle Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), Blockheizkraftwerke und Fernwärme. Der Wärme- und Kältesektor liegt bei den Dekarbonisierungsbemühungen um 10 % hinter dem Stromsektor zurück.
Die Dekarbonisierung des Wärmeversorgungssektors ist in bevölkerungsreichen Gebieten wie Europa, Nordamerika, Indien und China besonders wichtig, da er zwischen einem Viertel und der Hälfte des Endenergieverbrauchs in diesen Märkten und einen großen Teil der Kohlenstoffemissionen im Rest der Welt ausmacht.
Der Wärme- und Kältesektor muss zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen, indem er verstärkt erneuerbare Energiequellen einsetzt. Auch die Bemühungen um eine Sektorkopplung, die darauf abzielen, zur Energieoptimierung Strom-, Wärme- und Verkehrsbetriebe in ein zentral verwaltetes und stärker voneinander abhängiges System zu integrieren, tragen zu diesem Ziel bei.
Die Nutzung der direkten und indirekten Elektrifizierung kann die Flexibilität der Energienutzung in diesen Sektoren erhöhen. Dies gilt auch für die Fähigkeit, mit Hilfe von Energiespeichersystemen Schwankungen im Energiebedarf auszugleichen.
Ein Plan zur Dekarbonisierung der Industrie, um das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen
Die Verringerung der Kohlenstoffemissionen in der gesamten Industrie kann nicht im luftleeren Raum erfolgen, sondern erfordert den Beitrag einer Vielzahl von Marktsektoren, einschließlich öffentlicher und privatwirtschaftlicher Akteure.
Da die Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes für die Unternehmen mit Kosten verbunden ist, hängt der Erfolg in diesem Bereich von Vorschriften und Anreizen ab. Einige Veränderungen können sich selbst finanzieren, beispielsweise die Änderung von Prozessen, um weniger Energie und Rohstoffe zu verbrauchen, obwohl das gleiche Produkt hergestellt wird. Allerdings sind viele Maßnahmen zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes selbst auf lange Sicht finanziell nicht rentabel. Hier sind externe finanzielle Mittel erforderlich, um die Dynamik voranzutreiben.
Der politische und gesellschaftliche Druck in diesem Bereich hat in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen und zeigt nun erste Ergebnisse. Bei dem derzeitigen Tempo des eher punktuellen Fortschritts ist die Industrie jedoch nicht auf dem besten Weg, die Netto-Null-Ziele bis 2050 zu erreichen, sodass möglicherweise Anreize auf globaler Ebene geschaffen werden müssen, um eine größere Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.
Darüber hinaus muss jeder Industriesektor Zugang zu einer breiten Palette kohlenstoffarmer Energiequellen erhalten. Dazu gehört grüner Wasserstoff, Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie, Gezeitenenergie (die sich noch in der Entwicklung befindet) und Kernkraft. Damit lässt sich der Energiebedarf ohne Erhöhung der Treibhausgasemissionen decken. Neben einer umweltfreundlichen Energieversorgung werden Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid die Bemühungen der Unternehmen zur Emissionsreduzierung unterstützen.
Jede Anlage und jeder Sektor muss auch die Abfallmenge verringern und gleichzeitig die Produktqualität und die Betriebsleistung verbessern. Kreislaufwirtschaft durch Recycling sorgt dafür, dass Ressourcen geschont und Abfälle minimiert werden.
Außerdem wird die Einführung von Industrie-4.0-/5.0-Digitalisierungstechnologien mit instrumentierungsgestützter Datenanalyse den Einsatz fortschrittlicher Prozesssteuerungskonzepte in Produktionsprozessen und in der gesamten Wertschöpfungskette ermöglichen. Diese Maßnahmen werden die Produktivität erhöhen, die Produktionskontrolle verbessern und die Abfallerzeugung verringern.
Erkenntnisse
Die Dekarbonisierung der globalen Industrie ist selbst für die größten Unternehmen und auch für Regierungen nicht durch individuelle Anstrengungen zu erreichen. Vielmehr bedarf es konsequenter und koordinierter Anstrengungen aller Wirtschaftszweige und aller politischen Gremien sowie von allen Ländern und Kooperationen.
Die Dekarbonisierung der globalen Industrie, der Energiewirtschaft und des Verkehrswesens ist eine große Aufgabe, die Maßnahmen von öffentlichen und privaten Akteuren auf der ganzen Welt erfordert. Das Vorhaben ist machbar, aber es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung, um die Netto-Null-Emissionsziele bis 2050 zu erreichen.